Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Samstag, 18. Januar 2014

Der Winterschmied

Ni Hao an euch alle!

Nach mehreren Anlaeufen sind wir nun wirklich in China! Und obwohl unsere Gedanken in letzter Zeit oft ins "Reich der Mitte" wanderten, ist es doch immer noch ziemlich fabelhaft und unwirklich, wenn wir hier durch die Altstadt Kashgars ziehen. Die Stimmung ist einfach ueberwaeltigend und alle Sinne werden so herausgefordert, sodass es mir schwer faellt, alles in schmuckvolle Worte zu verpacken, denn selbst diese wuerden nicht das widerspiegeln koennen, was es hier zu erleben gibt!
Frueh (eigentlich mittags) wachen wir vom singenden Muezzin auf, die Moschee ist direkt nebenan, wenn man vom Balkon des Pamir-Youth-Hostels herunter schaut. Zum Fruehstueck gibt es einen Tee, dann mischen wir uns unter die Leute. Die Maenner und Frauen kommen gerade vom Freitagsgebet aus der Moschee. Es sind viele! Wir schleichen zwischen alten baertigen Uiguren in ihren traditionellen Maenteln und mit ihren hohen Fellmuetzen umher, sehen Frauen ganz in braun, in typischen Uigur-Gewaendern, begegnen vielen lachenden, glucksenden Kindern, die alleine auf der Strasse spielen und muessen stets auf Motorroller und Motorradtransporter aufpassen, die fast geraeuschlos an uns vorbeisurren.
Ueberall haengen Rauchschwaden in der Luft, die von den Essenswagen und den Saschlik-Staenden heraufziehen. Es riecht nach Grill, toten Tieren, gebratenem, gesottenem Fleisch, unbekannten, starken Gewuerzen. Wir kommen an haemmernden Kupferschmieden vorbei, an arbeitenden Handwerkern, die gerade Haeuser renovieren, lauschen der fremden Sprache, kaufen Nan-Broetchen mit Sesam und lassen uns von den Eindruecken davontragen. Es ist eine ganz andere Welt.

Obwohl nach der Zeit in Zentralasien einige Bilder schon zur Gewohnheit geworden sind, ist es natuerlich spannend, das Leben hier zu beobachten. Das Strassenleben ist lebendig, es wird gefeilscht und geworben, ueberall sitzen, hocken oder stehen Menschen, kauen Sonnenblumenkerne, spielen Karten oder schauen interessiert und skeptisch, als wir an ihnen vorueberziehen. Manch einer traut sich ein scheues "Hello!" zu rufen. 
Auch das Basarleben ist hier vergleichbar mit dem der letzten Laender - mit der Ausnahme, dass hier nun alles mit Chinesischen Schriftzeichen versehen ist! 
Aber viele Schilder sind hier in mindestens zwei Sprachen. Man kann in diesem Teil Xinjiangs auch arabische Schriftzeichen sehen, denn die Uiguren benutzen seit einiger Zeit das arabische Alphabet. Und, auch Englisch ist immer weiter verbreitet, besonders dort wo Touristen hin kommen.
Der ethnische Mix ist auch hier deutlich spuerbar.
Seit Jahrzehnten leben Tadschiken, Kirgisen, Uiguren und andere, meist muslimische Bevoelkerungsgruppen hier. Aber durch die strenge Wirtschaftspolitik des Landes werden jedes Jahr Hunderttausende von Han-Chinesen nach Xinjiang umgesiedelt. Dadurch sind schon jetzt viele Kulturschaetze dieser Region verloren gegangen, alte Gebaeude muessen neuen weichen, die Stadt waechst immer mehr zur Metropole des Westens heran und alles, was noch Tradition hat, wird langsam aber sicher durch die Tourismusbranche zerstoert. Arm und Reich wohnt auch hier Tuer an Tuer.

Als wir unsere Stadtwanderung beendet haben, schlendern wir ueber den grossen Platz gegenueber der Id-Kah-Moschee und kosten von den Leckereien der Uigur-Kueche: Reispfanne mit Rosinen, Paprika, Eiern und Huehnchen; pfannkuchenaehnliche Teigtasche mit Hackfleisch in Zucker, Erbseneintopf mit Chili. Auf kleinen Baenken rings um jeden Essensstand, versammeln sich die Menschen nach Sonnenuntergang und alles schluerft und spachtelt dort zum Abendessen. China - Jetzt geht's erst richtig los!

Eigentlich wollte ich ja ueber die Zeit in Kirgistan schreiben, euch aber auch die ersten Tage in China nicht vorenthalten. Naja. Fast eineinhalb Monate verbrachten wir also letzten Endes im wunderschoenen Kirgistan, eine Zeit die sehr eindruecklich fuer uns beide war - auf unterschiedlichste Art und Weise.
Wir hatten also in Bishkek unser Lager aufgeschlagen und somit war die kirgisische Hauptstadt als unser Winterstandort auserkoren, wo wir eine Weihnachtspause einlegen wollten, um auszuruhen und die Festtage in Gemeinschaft zu erleben!
Wir kochten oft ausgiebig, schauten Filme, tranken Unmengen von Kaffee und Tee, Bier und Wein, Wasser und Waesserchen, lachten und unterhielten uns oft bis zum Morgengrauen, drehten Zigaretten und schliefen solange wir wollten.
Wir erlebten ein bewegtes Weihnachtsfest, sassen auf dem Fussboden in der Kueche, um den Tisch versammelt und genossen ein Festmahl, was von einem bunten Stimmengewirr von Russisch, Englisch, Franzoesisch, Deutsch und Chinesisch untermalt wurde.
Danach wurde es Zeit, ans weiterreisen zu denken, unser Kasachisches Visum war lediglich bis zum letzten Tag des Jahres gueltig, von Kirgistan selbst hatten wir aber nur einen Bruchteil gesehen und wir waren ein wenig traurig, das Land schon verlassen "zu muessen". Also entschieden wir uns, nur einen kurzen Abstecher nach Almaty zu machen, um Silvester wieder in der Stadt zu sein, die uns schon zwei Wochen beherbergt hatte.
Wir versuchten unser Glueck mit Trampen, froren und erreichten die groesste kasachische Stadt erst im Dunkel der Nacht. Wir durften drei Tage bei Andrey, Lena und ihrem Dackel Pertshik wohnen und schauten uns die Stadt und die Berge rundherum an und waren puenktlich zum neuen Jahr wieder zurueck in der WG im fuenften Stock auf der Tolstoy-Strasse in Bishkek City.
Es war ein Wiedersehen der seltsamen Art, hatten wir doch vorher auf dieser Reise kein Land zwei Mal besucht.
Schon Ewigkeiten vor Neujahresbeginn erleuchteten Feuerwerks-Raketen den Nachthimmel. Fuenf Stunden vor unseren Freunden und Familien in Deutschland wuenschten wir uns alle ein Frohes Neues Jahr, kuessten und umarmten uns.
Wir tanzten zu selbstgemachter Musik in lauten Bars und als die Geschaefte ihre Tueren zum Morgen des ersten Januar wieder oeffneten, liefen wir erst "nach Hause".
Trotz ausgelassener Feierei versiegte dass letzte Jahr etwas klanglos, in mitten der Grossstadtwueste, im Wintertief zweier Reisender und klirrend kalt begann fuer mich das neue.

Mich zog es heraus aus der Stadt, ich wollte dem russischsprachigen Raum den Ruecken zukehren und weiter in die unvertraute asiatische Welt reisen. Ich war zugegebenermassen nach einem knappen (tollen!) Monat WG-Leben zu siebt in einer Vier-Zimmer-Wohnung etwas klaustrophob, nach sieben Reisemonaten, die wir hauptsaechlich zu zweit verbrachten. 
Nachdem wir uns, beide nicht ausgeruht genug, um es wieder mit dem Reisealltag aufzunehmen, doch wieder aufrafften, verliessen wir Bishkek zum vorletzten Mal mit gemischten Gefuehlen. Wir umreisten den Issyk-Kul-See (den zweitgroessten Alpinsee der Welt - nach kirgisischen Informationen!), bestaunten die verschneiten Berge in Karakol und das einfache, idyllische und gemuetliche Landleben, was uns in den kleinen Doerfern entlang des Sees begegnete. Wir kehrten letztmalig zurueck in die Hauptstadt, reisten per Anhalter die gleiche Route wie wir gekommen waren wieder zurueck gen Sueden und stoppten abermals in Osh, um Luft zu holen, fuer die naechste Etappe.

Die Tage in Kirgistan endeten fulminant. Als wollte uns die Natur noch einmal beweisen, dass es sich auf jeden Fall lohne, wieder zu kommen (aber dann im Sommer!), erlebten wir in der letzten Woche nur schoensten Sonnenschein und sahen die beeindruckensten Farben, Berg- und Talformen und wurden von atemberaubenden Sternenhimmeln verzueckt! Die letzte kirgisische Nacht verbrachten wir nach einem langen Tramptag im Container-Dorf Irkeshtam, dass direkt auf dem Grenzpass liegt. 

Motiviert stiefelten wir am naechsten Tag geschaetzte sieben Kilometer bis zum chinesischen Kontrollpunkt, wo wir gezwungen wurden, in ein ueberteuertes Taxi zu steigen, dass uns hundertfuenfzig Kilometer weiter zur Chinesischen Migrationsstelle in Ulugqat bringen sollte. Wir protestierten so lang und haeftig, bis wir den Preis von hundert auf dreissig US-Dollar gedrueckt hatten. Weniger ging nicht...! 
Der Weg fuehrte durch duenn besiedelte Taeler, die von unbeschreiblich farbenfroh schillernden Felswaenden und schroffen Bergketten begrenzt wurden. Es ging vorbei an Schafherden, zugefrorenen Fluessen, leeren Feldern, Doerfern mit rotbraunen Lehmbauten, wir sahen Kamele, baumlosen Steppen und hielten immer wieder an. 
Noch mehrmals mussten wir unsere Paesse vorzeigen, mussten aussteigen, zu Fuss durch die Grenzkontrolle laufen, wieder einsteigen. Polizeikontrolle. Paesse zeigen. Und weiter. Als wir endlich unseren Stempel im Pass hatten, wurde es bereits dunkel. Die Uhr stand mittlerweile auf um Sieben. Beijing-Time. Wir versuchten auch hier unser Glueck und trampten erfolgreich nach Kashgar. Dabei tippten der Fahrer und ich fleissig Saetze in sein iPhone-Translator und so erfuhren wir, dass er uns gern zu sich nach Hause einladen wuerde. Wir waren gluecklich und erleichtert, nach dem etwas holprigen Start, waren froh, einen warmen, gemuetlichen und herzlichen ersten Abend zu erleben. Wir hatten uns schon eine Stelle zum Zelten ausgesucht, hatten nach Feuerholz Ausschau gehalten und uns auf eine kalte Nacht eingestellt. 
Aber so war es ein sehr amuesanter Abend, wir wurden rundum versorgt, chauffiert, bekocht und es hiess bei einem leckeren Willkommens-Essen minuetlich "Wellllcome-tooo-China-Xinjiang-Kashgar!" - "Nice-toooooo-meeet-yooooou!" - "Nice-toooo-meeeet-yooou-toooooo!" und "Verrrry-Gooodaa!!" und es wurde viel angestossen :)

Unsere Befuerchtungen, die Verhaeltnisse waeren ab Tag Eins in China so einfach, wie sie uns Michael beschrieben hatte, sind bis jetzt unnoetig geblieben. Es gibt heisses Wasser, eine Dusche, es ist gemuetlich, warm und sauber. Und wir wurden fuersorglich beraten und mit Informationen versorgt, auf Englisch! - Wir sind jedoch gespannt auf die simplen Gegebenheiten, da es doch ein wichtiger Bestandteil der Reise ist, eben nicht europaeische Standards vorzufinden. 

Im naechsten Monat werden wir uns bemuehen, mit Haenden und Geraeuschen, mithilfe eines veralteten Lonely Planet-Buches und mit ein paar Seiten Handgeschriebenem in unserem Notizbuch, uns in dieser wunderbaren Umgebung zurechtzufinden. Und, mit jedem neuen Tag des Reisens kommt die Reiselust zurueck! :)

Fuehlt euch alle zum neuen Jahr noch doll umarmt und gegruesst von mir und von Emma!
Wir freuen uns auch 2014 ueber viele Gruesse und Worte von euch!


Alles Liebe, Euer Elmi

Winterkinder in der Naehe von Osh, Kirgistan


(mehr Bilder unter "Fotoreihe Januar")

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